Intercultural Diaries 2 - Interkulturelle Tagebücher 2:
Selbstbilder und wahrgenommene Selbstbilder

Images of the self and percieved images of the self

Ausschnitte aus Interkulturellen Tagebüchern
von Austauschstudentenn des Netzwerks A-30

SlowakInnen über die Slowakei

1. Universalismus vs. Partikularismus - Die Slowakei als partikularistisch orientiertes Land

Ich glaube, daß die Slowakei stark partikluaristisch ist. Die meisten der privatisierten Betriebe werden an die Freunde oder Familienmitglieder der mächtigen Politiker verkauft und wir können die Rolle der Freundschaften auch im Geschäftsleben beobachten. So hat es z.B. eine Schweizerische Firma nicht geschafft ihre guten Produkte für die Landwirtschaft innerhalb von zwei Jahren auf dem Markt zu etablieren. Dann haben sie einen slowakischen Manager angestellt und der Umsatz ist um 350% gestiegen. Warum? Weil dieser slowakische Manager Freunde gehabt hat, die diese Produkte gekauft haben.

2. Die Slowakei als eher kollektivistisch orientiertes Land

Meiner Meinung nach ist die Slowakei eher kollektivistisch als individualistisch organisiert. Dazu ein Beispiel, das ein deutscher Manager erzählte, der in der Slowakei einen Betrieb geleitet hat. Er hat die Sache bis heute nicht verstanden:

Eines Tages kamen die Angestellten zu ihm und sagten, daß die Buslinie zu seinem Betrieb eingestellt wird und er solle etwas unternehmen. Er hat dann den Leuten gesagt, daß sie Gewerkschaften haben und auch Steuerzahler seien und sie die Behörden damit konfrontieren sollten. Eine Woche später haben ihm die Angestellten gesagt, er müsse etwas unternehmen, da sie sonst am Anfang des nächsten Monats nicht mehr zur Arbeit kommen, weil die Stadt die Buslinie einstellt und der betrieb vier km von derStadt entfernt sei. Am Anfang der Monats ist tatsächlich niemand mehr zur Arbeit gekommen. Warum? Weil die Leute erwartet haben, daß der Unternehmer ihre Probleme löst.

3. Die Slowakei als eher diffuses Land

Nach der Klassifikation von Trompenard ist die Slowakei eher diffus als spezifisch. Der "Herr Direktor" ist immer der "Herr Direktor" und er hat auch den entsprechenden Status. Die Mitarbeiter können mit ihm befreundet sein, aber in der Arbeit ist er immer der "Herr Direktor". Das gilt auch für den Kontakt mit anderen Institutionen oder z.B. beim Arzt, im Geschäft usw.

4. Es gilt eher die Zuschreibung als die Leistung

Die Slowakei ist ein Land, in dem eher die Zuschreibung von Status, als die Leistung gilt. Da sieht man z.B. auch in Inseraten, wo steht, daß jeder Manager zwischen 30-45 Jahren will. Wenn Unternehmer Mitarbeiter suchen, sind 95% der Stellen vorher bereits "jemanden" zugesagt. Zum Zug kommen das persönliche Netzwerk, also die Kinder von Bekannten, Kollegen usw.

5. Neutral oder emotional

Die Slowakei ist mehr neutral als emotional, aber nicht so emotional wie Italien. Die Leute zeigen bei der Arbeit aber ihre Gefühle, was mit der Nähe zwischen den Leuten zusammenhängt. Aber niemals sagen die Leute sofort offen, was sie denken, denn dann könnten sie es nicht mehr zurücknehmen.

Auszüge aus dem Referat über Interkulturelle Unterschiede zwischen der Slowakei und Österreich von Peter Holub, gehalten am Institut für Internationales Management der KF-Uni Graz - auf Austausch im WS 1998/99


 

ÖsterreicherInnen über das Selbstbild der UngarInnen

1. Warum kommst du nach UNGARN, wo man nichts verdient?

Und immer wieder höre ich die Frage: "Wieso bist du ausgerechnet nach Ungarn gekommen, um dein Praktikum zu machen? Hättest du es denn nicht bei dir Zuhause machen können? Wenn ich dann sage: "Doch, ich hätte es auch in Österreich machen können, aber ich wollte es in Ungarn machen.", schütteln alle den Kopf und meinen: "Aber hier verdient man ja nichts!" Es ist ihnen schier unverständlich, wie man freiwillig nach Ungarn kommen kann, um hier zu arbeiten.

2. Über das Problem ein/e junge/r Ungar/in zu sein ...

Manchmal habe ich das Gefühl, daß die Ungarn alles andere als froh darüber sind, Ungarn zu sein. Ein junger Mann, mit dem ich einmal im Bus sprach meinte: "Ich bin jung, intelligent, mein einziger Fehler ist meine Saatsangehörigkeit."

3. Aus Ungarn weggehen? Aber warum?!

Nachdem mir meine Studenten in der letzten Woche erzählt hatten, daß man in Ungarn sehr, sehr wenig verdient und ich das Gefühl hatte, aus diesen Bemerkungen großes Bedauern heraus zuhören, fragte ich meine Studenten diese Woche ob sie denn - nach dem wahrscheinlichem Zutritt Ungarns zur EU - nicht Lust verspürten, nach dem Studium z.B. nach Österreich oder Deutschland auszuwandern, wo man doch so viel mehr verdienen würde. Einige der Studenten meinten zwar, daß sie schon ganz gerne für ein oder 2 Jahre in Österreich oder Deutschland arbeiten würden, aber nicht aus finanziellen Gründen, sondern nur um Erfahrungen zu sammeln oder die Abenteuerlust zu stillen. Aber wirklich aus Ungarn auszuwandern wollte keiner meiner Studenten. Demnach wäre wohl die Angst der Österreicher vor einer Migrationswelle aus Ungarn nach der Ost - Erweiterung unbegründet.

4. Erstaunen über das Leben in Österreich

Das Interesse der Studenten an meiner Person und den Verhältnissen und Gegebenheiten in Österreich war und ist auch sehr groß. Sie waren wirklich ganz offen und interessiert für alles, was ich ihnen erzählte und teilweise (z.B. wenn ich ihnen von der Höhe und den Bedingungen unser Stipendienauszahlung erzählte oder vom 13. und 14. Gehalt, den wir in Österreich bekommen), riß es sie vom Hocker.

Heike P. - Auf Austausch in Pécs im SS 1999


 

UngarInnen über Ungarn

 

1. Männer und Frauen

Es gibt eine Menge junger, österreichischer Männer, die viel besser erzogen sind als die jungen Männer in Ungarn. Die sind viel freundlicher, netter, zuvorkommender, höflicher zu Frauen. Im Studentenheim gibt es haufenweise hilfsbereite Menschen, die zum größten Teil männlich sind. Bei uns in Ungarn würden 80% der Männer nur hübschen Frauen helfen.

Zs. B. - Auf Austausch in Graz im WS 1998/1999

2. An welchem Verhalten erkennt man UngarInnen?

Beim Spionagespiel ergaben sich auf die Frage: "Wie müßte ich mich verhalten, um in Ungarn nicht als Spion erkannt zu werden?", folgende Antworten:

1. Der Spion muß in Ungarn an scharfes Essen und kalte Getränke gewöhnt sein.
2. Er muß die ungarische Sprache beherrschen, v.a. die Umgangssprache und viele Schimpfwörter.
3. Er muß über mindestens eine politische Partei schimpfen.
Weiters:
4. Egal wie alt, er sollte, wenn er in Budapest mit seiner Frau oder Freundin die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, mindestens mit ihr Händchen halten und sich ganz an sie drücken.
5. Er hat sehr gute Manieren und läßt einer Fau immer den Vortritt.
6. Er/Sie ist sehr hilfsbereit und hilft auch, wenn er/sie garnicht helfen kann.

H. B. - Auf Austausch in Pécs im SS 1999



ÖsterreicherInnen über Österreich

1. Das Fehlen der Vielfalt von Religionen

Ich habe in Pécs die Leute nach einer Messe bzw. nach einer Kirche gefragt. Die befragten Pécser Bürger fragten mich zurück: "Welche Religion?" Undenkbar. Undenkbar in meiner Umgebung in Graz. Dort in Pécs wird mir vor Augen gehalten, daß die Gesellschaft nicht mit einer Religion gleichzusetzen ist. In Pécs gitb es eben einmal Angehörige der katholischen, protstantischen, muslimischen und jüdischen Religion. Das schafft Gemeinsamkeiten und Toleranz.

2. Wettbewerbe in der Schule?

Überhaupt scheinen in Ungarn schulische und wissenschaftliche Wettbewerbe eine große Rolle zu spielen. Die Ergebnisse werden in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht und sind in der Bevölkerung bekannt. Sie beeinflussen die Entscheidung der Eltern und Schüler für eine gewisse Schule/Uni. Welch ein Unterschied zur österreichischen Situation!


Ch. E. - Auf Austausch in Pécs im SS 1999